Gedichte - Archiv
Hier sehen Sie weitere Gedichte von Peter Hacks. Alle hier veröffentlichten Gedichte sind urheberrechtlich geschützt © Eulenspiegel Verlagsgruppe.
Diesem Vaterland nicht meine Knochen
VOM ALTER, DEN ZEITEN UND DER LIEBE
Bestes Herz, auf meinem Weg zum Grabe
Bin ich wirklich froh, daß ich dich habe.
Unter unsern heimatlichen Dächern
Leiden wir die Herrschaft von Verbrechern,
Ein Stalin-Gedicht von 1952
Ein Stalin-Gedicht von 1952 als poetischer Kommentar zur historischen Lage; seither ist, bis auf die Nelkenrevolution gegen den lusitanischen Popanz, nicht so sehr viel passiert:
Einmal ist viel Mal
(Der Großtyrann und das Gelichter)
Die schönsten Briefe schickte Stalin,
Doch keine Friedenstat empfahl ihn.
Was er nun auch veröffentlicht –
Wer eimal log, dem glaubt man nicht.
Ein Wintergedicht
Schneeflöckchen leise
Schneeflöckchen leise
Auf der langen Reise,
Bist in unserm Walde
Angekommen nun.
Winter hat die weihnachtlichen
Berge silbern angestrichen,
Und die stille Halde
Lädt dich ein zum Ruhn.
Bäumelein im Winde
Froren an der Rinde,
Bärlein ohne Speise
Hat so lang gewacht.
Nun von Federn fein kristallen
Liegt dein Deckbett über allen,
Schneeflöckchen leise,
Bringst uns gute Nacht.
Flüchtlingslied
O welche Pein! und doch so süß;
Es ist sentimentaler
Als Bücher von Courths-Mahler.
Friedlicher Vorschlag zur Güte
GEBRECHLICHER VIELVÖLKERSTAAT
Gebrechlicher Vielvölkerstaat,
Deutschland, wie soll das enden?
Zwei Welten, die in Rat und Tat
Sich nimmermehr verständen,
Gepreßt in eine Zwangsunion
Von Rußlands dummem Bären,
Die Ostnation, die Westnation,
Wie wenn sie eine wären.
Die Ostnation, die Westnation
Ersticken in einem Reiche.
Man spricht die gleiche Sprache schon,
Doch denkt man nicht das gleiche.
Es überbrückt solch tiefen Riß
Kein Leimen und kein Kleben,
Nur Wut erwächst und Bitternis
Aus dem Zusammenleben.
Entlasse, Deutschland, so mein Schluß,
Die trüben Existenzen
Vom Rheinstrom und vom Isarfluß
Aus deinen engen Grenzen.
O laß sie atmen, laß sie gehn.
Wir wollen ihnen gönnen,
Daß wir, wenn wir sie nicht mehr sehn,
Sie wieder mögen können.
Die Selbstbestimmung war ein Ziel,
Ein schwer errungenes.
Zwei heile Länder sind besser
Als ein gesprungenes.
Gedicht zum 1. Mai
ERSTER MAI
Nach der Liebe müssen die Vögel schreien. Sonst hat es
Nicht gelangt. Überm Kopf lischet das Neon mir aus.
Aber wieviel Droschken schon, und bewimpelte? Richtig,
Unsern Jubeltag heut wollen wir durchführen und
Unter kraftvollem Einsatz bekunden, daß wir vor einem
Menschenalter gesiegt. Heim und zu Bett denn. Mich freun
Die in Wahrheit verschiedenen Grüns des Frühlings. Die Bäume,
Zeigt sich, vor deinem Haus waren als Linden gemeint.
Schön, wenn jedermann schafft, ist, abseits zu sein und zu feiern,
Schöner, bei jedermanns Fest liebend am Rande zu sein.
Gedicht zum Frühling
Ballade vom Herrn von Sack
Am Bach im Erlengrunde
B'hüt uns, Herre Gott
Ein Schloß schaut in die Runde,
Drin lebt bei Nacht und Tag
Der finstre Herr von Sack.
Er hat der Beine achte
Und Zähne wie die Hunde
Und heult wie Wolf und Eulen
Aus seinem tiefen Schlunde.
Gedicht zum Herbst
Das Unzuchthäuslein
Der Bauer hat ein Unzuchthaus
Mit holzgeschnitzten Wänden;
Da liegt das Gras ganz weich und kraus
Und kitzelt an den Lenden.
Gedicht zum Sommeranfang
Das Wasser ist voll Tücke
Das Wasser ist voll Tücke
Das Wasser ist voll Arg:
Es war zu Kiel die Brücke,
Wo sich mein Unheil barg.
Gedicht zum Spätsommer
Sentimentale Romanze vom Flussgott und dem Mädchen
Der Flußgott hockte alt und fett
Im schattigen Schilfgemenge
Und blies auf seinem Flageolett
Sididü sididadu
Verstohlene Sommerklänge.